Sonntag, 18. Januar 2015



Die Vorgeschichte
1. Kapitel
Hochzeit im Buchenhof 1620
 „Danke Herr“, Roland verbeugt sich vor dem alten Herrn von Eden, erleichtert ist er, „danke, meine Lotte und ich werden euch treu dienen und meine Kinder auch.“
„Meinen Segen habt ihr“, Gerulf von Eden schiebt einen braunen Lederbeutel über den Tisch. „Damit ihr die Wiege schreinern lassen könnt.“       
Er lächelt, was selten genug bei ihm vorkommt. Er beobachtet Roland, wie seine raue kräftige Hand langsam nach dem Lederbeutel greift. Hat der Alte doch ein Herz, auch wenn wir es selten spüren. Wie wird meine Lotte sich freuen, wenn das Bett für unser Kleines schon gesichert ist. Beim Gedanken an Lotte und das Kind wird ihm warm, am liebsten möchte er gleich zu ihr gehen und ihren Körper spüren, wie sie sich an ihn drängt, liebevoll und vertrauend. 
„Es wird noch für einige andere Dinge reichen, ihr habt‘s verdient, Roland, nun geh, lass sie nicht länger warten.
So einen Bauern wie den Roland gibt’s auch nicht so oft, auf ihn kann ich mich verlassen, den Zehnten zahlt er pünktlich, auch wenn’s ihn hart genug ankommt. Den Segen geb ich den beiden gern. Er streicht sich über den sorgfältig gestutzten grauen Bart und erhebt sich. Seine Größe ist ungewöhnlich, die Männer der Edens sind alle groß und stark, auch sein Sohn Arnulf kommt nach ihm. Wenn die Hochzeit vorbei ist, werde ich Arnulf in meine Geschäfte einweihen. Es wird Zeit, dass er eingearbeitet wird. Nur Weiber und Pferde hat er im Kopf, der Junge, den Ernst des Lebens muss er endlich kennenlernen.
Roland wirft die braunen Haare zurück, verstaut den Lederbeutel mit dem Geld sorgfältig in seiner Hosentasche, da ist es sicher. Noch einmal verbeugt er sich. „Ich erwarte Euch zur Hochzeit am Johannistag, es wird mir eine Ehre sein, Euch meinen Wein zu kredenzen. Der letzte Sommer hat meine Trauben wundervoll durchglüht.“
„Bis zum 24. Juni dann, Roland, ich freue mich für dich. Je besser du auf deinem Hof wirtschaftest, umso mehr haben wir alle davon.“
Sie verlassen den dunklen getäfelten Raum, treten auf den Gang mit den Ahnenbildern, der zur Diele führt. Hannah klappert mit ihren Holzschuhen aus der Küche, zwinkert mit ihren alten Augen Roland zu. Er nickt und lächelt.
 „Grüß mir die Lotte“, ruft sie, „ist so ein gutes Kind, da hast du Glück, Roland, halte es fest!“
 „Ich weiß, Hannah, der Herrgott hat sie mir geschickt, ich werde gut auf sie aufpassen.“
Draußen schwingt sich Roland auf den kräftigen Falben. Ihm ist warm unter dem rauen Leinenhemd. Er kann es nicht abwarten, Lotte die gute Nachricht zu überbringen, galoppiert über die Sandstraße, in den Wald hinein, auf den Weg zu seinem Hof. Die Mittagssonne hat schon viel Kraft, jetzt wo die Sonnenwende so kurz bevorsteht. Er hört Pferdegetrappel. Ist bestimmt der Arnulf mit seinen Freunden, die sich den Tag beim Reiten vertreiben, geht es Roland durch den Kopf. Vorn an der Biegung sieht er schon die drei, von Eden, von Hirzbach und von Glasenapp, alle gleich nutzlose, faule Gutsbesitzersöhne, die dem lieben Gott den Tag stehlen und das Gut ihrer Väter nicht genug wertschätzen können. Die halten nichts von harter Arbeit. Er lenkt sein Pferd an die Seite, grüßt mit der Hand.
 „Na, Roland, wann ist es denn so weit mit der Lotte und dir, bald kommt ja euer Nachwuchs, die Lotte, die Spröde hat dich reingelassen, stimmt´s?“, ruft Arnulf ihm gut gelaunt zu. Er kann‘s nicht lassen mit seinen Anspielungen. Die Lotte, die hat sich ihm immer widersetzt, keine Chance hatte er bei ihr, der schönen rothaarigen Tochter des Schmieds. Roland beißt die Zähne zusammen. Wenn ich ihm doch sein Maul stopfen könnte, diesem elenden Lump, aber ich muss ruhig bleiben, er wird eines Tages mein Herr sein.
„Euer Vater hat zugestimmt, Johanni ist die Hochzeit, ihr seid eingeladen.“
„Wir kommen, Roland, den Schmaus lassen wir uns nicht entgehen und die schönen Töchter, die uns bedienen, an denen werden unsere Augen sich weiden, und an der Braut erst“, fügt er hinzu.
„Lasst meine Lotte aus dem Spiel, Herr Arnulf, Ihr wisst, sie ist keine wie die anderen.“
Er drückt die Stiefel in die Flanken des Falben und trabt an. Die Gegenwart dieser Männer jagt ihm jedes Mal einen Schauer über den Rücken, zu gut kennt er sie.
„Der Roland hat seinen Stolz, Arnulf, der hat vergessen, dass die Bauernaufständ‘ nichts geändert haben. Wir sind die Herren, dem musst du’s zeigen“, stachelt der Hirzbach ihn an.
 „Lass nur, Ferdi, ich weiß schon, wie ich’s machen werde, noch hat mein Vater alles in der Hand, bald übergibt er’s mir, hat er schon angekündigt.“
Strahlend ist Johanni gekommen, einen schöneren Tag als diesen gibt es wohl nicht für eine Hochzeit. Roland kümmert sich gerade um die Helfer, die die Speisen auftragen sollen. Da kommen sie schon, auf großen Brettern tragen sie Teller mit Grütze und Schüsseln mit Fleisch. Im schattigen Hof lässt es sich gut feiern, und Johanni ist auch noch ausreichend Zeit, die Ernte steht erst noch bevor. Alle feiern an langen Tischen und Bänken, das Gesinde und andere Bauernehepaare aus der Gegend. Die Kinder können nach Herzenslust toben und Schüsseln ausschlecken, ohne dass die Erwachsenen auf sie achten. Gelächter und Trinksprüche schallen weithin, die Gäste schlingen die Grütze hinunter, schneiden die Fleischstücke in mundgerechte Stücke und werfen die Knochen hinter sich. Gleich sind die Hunde da und haben auch was vom Festessen.
Lotte trägt ein hellbraunes Leinenkleid, eine bunte Blumenbordüre schmückt den Ausschnitt, die rundliche Taille wird durch den bauschigen Rock verborgen. Hans und Gustav spielen auf der Fiedel und der Ziehharmonika, fröhliche Klänge tragen zur Feierstimmung bei. Lotte wendet den Kopf, sucht mit den Augen ihren Roland, sie sehnt sich danach, ihn neben sich zu spüren. Wo bleibt er bloß, mein Roland denkt sie. In ihrem Körper spürt sie zarte Stöße. Da,  laute Stimmen.
„He, ihr feiert ja schon ausgelassen, auch von uns die herzlichsten Glückwünsche“, dröhnt die tiefe Stimme Arnulfs durch den Hof. Er springt ab, wirft einem Knecht die Zügel hin. „Bind ihn an!“, ruft er und eilt mit großen Schritten zu den Gästen. Hinter ihm reiten der Hirzbach, der Glasenapp, der Gehlen und der junge Dietrich von Traben. Sie springen ab, binden die Pferde an die eingemauerten Eisenringe und folgen Arnulf.
„Na, das tut gut, mal so richtig ausgelassen feiern und saufen und fressen, da tun wir gern mit“, ruft der Glasenapp und nimmt ein großes Stück Ochsenbrust aus der Schüssel. „Ist ja mehr als genug da, der Ochse ist groß und das Schwein ist schon braun.“
Er kaut und stürzt einen Becher Wein hinunter. Die Bauern rutschen auf ihren Bänken zur Seite. Das kann nichts Gutes bedeuten, wenn diese Rüpel und Nichtsnutze hier auftauchen, befürchten sie. Jeder kennt die Junker, die sich rücksichtslos überall einmischen und nehmen, was sie kriegen können. Lotte ist dunkelrot und gleich wieder blass geworden. Wo ist Roland bloß, schießt es ihr durch den Kopf.
„Na, Lotte, kannst wohl die Nacht nicht erwarten, bis du mit Roland ohne uns alle sein kannst. Willst du mir nicht ein bisschen Gesellschaft leisten, bis es so weit ist?“
Arnulf tritt zu ihr und hebt ihr Kinn. Küsst sie auf den Mund und greift an ihre Brust. Sie schreckt zurück.
„Nicht so schüchtern, Lotte, bist du doch bei deinem Roland auch nicht, komm. Hast ja dein Tor schon aufgemacht.“
Und mit einer Kopfbewegung zu seinen Kumpanen hebt er Lotte hoch. Sie helfen ihm, sie schreit, Hirzbach hält ihr den Mund zu. Alle sind aufgestanden und starren entsetzt auf die Szene. Sie nehmen die strampelnde Lotte, halten ihr Beine und Arme fest, wie im Schraubstock tragen die Männer sie in die Scheune nach hinten zu den Heuballen. Hinter den Heuballen liegt die gelbe Katze mit ihren neugeborenen Jungen. Bastian, Rolands zwölfjähriger Bruder, kniet neben ihnen und beobachtet, wie die Mutter die Kleinen säugt. Er hört, wie die Männer in die Scheune trampeln mit Lotte in ihrer Gewalt. Er duckt sich noch tiefer, sein Herz klopft, das kann nichts Gutes bedeuten. Sie können ihn nicht sehen, sind auch zu beschäftigt. Glasenapp lässt mit einem Stiefelkick das Tor zufallen.
„So, Lotte, jetzt wirst du mal richtige Männer kennenlernen!“, ruft Arnulf. Sie legen sie ins Heu, er schlägt ihren Rock hoch, öffnet seine Hose. Mit dem Knie stößt er ihre Beine auseinander und ruft:
„Ich fang an, dann kommt ihr“, nestelt an ihren Unterkleidern, ein scharfer Riss, er legt sich auf sie,
„Hab ich dich doch noch, deine Dornen brech ich, rothaarige Hexe“, und dringt ein.
Jeder kommt dran, Grunzen und Stöhnen wie im Stall erfüllt die Luft, kein Flehen, keine Tränen helfen.
„Dir zeigen wir‘s, stolze Dirne, wir nehmen uns, was wir brauchen, ihr seid unser!“
Da fliegt das Tor auf. Roland stürzt in die Scheune, schreit verzweifelt:
„Meine Lotte, meine Lotte, was macht Ihr mit ihr und unserem Kind?“
„Weg da, Bauer, aus dem Weg, wir wollen auch die Lotte schmecken, wir sind gleich fertig, später kannst du sie haben.“ Mit einem Fausthieb trifft Arnulf Rolands Kopf, der fällt schwer auf den Scheunenboden, gerade dort, wo das spitze Stück Metall aus dem Boden ragt, wo das Tor einrastet. Hirzbach lässt ab von Lotte, alle Junker rennen zurück auf den Hof, schwingen sich auf die Pferde und galoppieren davon. Bastian in seinem Versteck hat alles beobachtet, er rennt schreiend auf den Hof, die Gäste strömen zur Scheune, starren auf die immer größer werdende Blutlache neben Rolands Kopf. Lotte liegt leblos im Heu.

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